FLÜCHTLINGSHILFE - RUCHHEIM
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EINSATZ FÜR DAS KINDER-PALLIATIV-TEAM RHEIN-NECKAR
Am 18. Januar dieses Jahres erhielten wir einen Telefon Anruf von einer Krankenschwester vom Kinder-Palliativteam des Klinikums Heidelberg.
Die Frau hat unsere Adresse wohl aus dem Internet, wo sie Hilfe suchte für eine Familie aus Ludwigshafen.
Die Mitglieder des Palliativteams betreuen dort wohl ein schwerstkrankes vierjähriges Kind, das eine relativ kurze Lebenserwartung hat.
Sie erzählte dass die Familie in äußerst ärmlichen Zuständen in Ludwigshafen lebt und dringend Hilfe benötigt.
Sie hat dann nach Rücksprache mit der betroffenen Familie mir die Telefonnummer und die Anschrift mitgeteilt, wir haben darauf hin einen Besuchstermin für Donnerstag den 20. Januar vereinbart.
Zusammen mit einer arabisch sprechenden Frau habe ich die Familie dann am Donnerstag wie vereinbart aufgesucht, dieser Besuch gestaltet sich emotional extrem anstrengend. Die Sachlage ist folgende:
Nach Angaben der vorliegenden Dokumente wurde die Frau in Saudi-Arabien geboren, lebte jedoch im Sudan.
Seit August lebt die Frau von ihrem gewalttägigen Ehemann getrennt, die Scheidung ist bereits vollzogen.
Die junge Frau, 35 Jahre alt, betreut in dieser Wohnung ihren kranken vierjährigen Jungen. Der Junge liegt in einem Pflegebett, muss künstlich ernährt werden, hat teilweise schwere Krämpfe, Atemprobleme und muss regelmäßig von Schleim durch Absaugung befreit werden.
Die Wohnung ist sehr spärlich eingerichtet, im Kinderzimmer befindet sich neben dem Pflegebett nur ein kleiner Tisch, der mit Medikamenten voll gestellt ist.
Das Kind hat einen Aufenthaltstitel der Stadt Ludwigshafen, gültig bis August 2022.
Die Mutter hat lediglich eine Duldung, also eine aufgeschobene Ausreiseverfügung, gültig bis April 2022.
Das Team des Kinderpalliativteams kommt etwa alle 2-3 Tage, den Jungen zu untersuchen, und Rezepte für Medikamente vorbeizubringen. Ansonsten ist die junge Frau vollkommen allein auf sich gestellt. Nach ihren Ausführungen kann es passieren, dass sie 2-3 Tage lang nicht essen kann, weil sie keine Möglichkeit hat das Haus zu verlassen um Lebensmittel einzukaufen.
Die Frau lebt getrennt von ihrem ebenfalls in Ludwigshafen lebenden Ehemann, der keinerlei Unterstützung, weder in finanzieller noch in sonstiger Form leistet.
Aufgrund der Duldung erhält die Frau Unterstützung durch das Sozialamt Ludwigshafen.
Da sie keine offizielle Anerkennung beziehungsweise keinen Aufenthaltstitel bekommen hat, sind ihr Zugänge zu Kindergeld und Pflegegeld für das schwerstkranke Kind offensichtlich erschwert.
Ein sehr großes Problem ist die Tatsache, dass sich die Wohnung im Hemshof in einem sehr alten Haus im vierten Stock befindet. Wenn das Kind zur Therapie muss, muss die 1,50 m große Frau das Kind aus dem vierten Stock nach unten tragen, ebenso verständlicherweise nach Abschluss der Maßnahmen wieder in den vierten Stock hinauf bringen.
Die Krankenschwester, die Kontakt mit uns aufgenommen hat, teilte uns mit, dass es offensichtlich seit längerer Zeit Probleme gibt, die Finanzierung eines Pflegedienstes zu sichern.
Man sei zwar in Kontakt mit der Asylbehörde in Ludwigshafen, jedoch sei bisher keine positive Zusage erfolgt.
Die Frau ist mit der Versorgung des Kindes vollkommen überfordert.
In dieser Sache haben wir unser Netzwerk aktiviert und mit der Unterstützung vieler Helfer wurde ein großes Programm gestartet.
Großen Dank geht an Natice Orhan-Daibel, die den Fall sofort auf Ihrer Facebookseite veröffentlicht hat.
Die Spendenbereitschaft ist überragend.
Larissa Bogacheva vom Pflegestützpunkt in Ludwigshafen hat bereits für kommende Woche Termine mit der Familie eingeplant und wird sich um die Sicherstellung der Pflegeunterstützung kümmern.
Laura Streb, eine Frau aus Natices Gruppe hat die Frau auch gestern mit Spenden besucht und folgenden Bericht abgegeben :
ZITAT :
Update - habe sie heute besucht. Nach unserem Telefonat gestern war klar, nur was vor die Haustür stellen ist nicht... sie wollte mit mir sprechen & ich solle doch bitte reinkommen!
Das würde also emotional doch eine andere Nummer werden als gedacht ...& was soll ich sagen - hatte mit allem gerechnet, aber nicht damit, dass wir so viel miteinander lachen würden!
So saßen wir da & erzählten beide mit gebrochenem Englisch.
Ihr Sohn wird ruhig und aufmerksam wenn er bei Mama ist & Körperkontakt hat. Dann entspannt sich alles und er folgte aufmerksam unseren Gesprächen
Und sie ist unfassbar dankbar und erleichtert, dass sie jetzt nicht mehr auf die Hilfe ihres Mannes angewiesen sein wird. Den bat sie für Freitag auf I. aufzupassen, weil sie dringend wegen schlimmer schmerzen im Rücken & Kopf zum Arzt müsse... er kam nicht...& nach den heftigen körperlichen Auseinandersetzungen fiel es ihr so wie so schon sehr schwer ihn fragen zu müssen. Sie hat viele Pläne und ist unfassbar optimistisch- sie wünscht sich für l. Dass er bald in den Kindergarten kann - sie deutsch lernen kann & in ihrem alten Beruf als Pharmazeutin Fuß fassen kann - es zähle jetzt nur noch ihr Sohn & sie
Meine Tochter wäre so gerne mitgekommen, was wegen Corona natürlich keine Option war - jetzt treffen wir uns vielleicht schon morgen eben draußen zum Spaziergang (er hat einen Wagen:) mein Mann wird ihn runter tragen. er würde so viel besser schlafen wenn er andere Kinder sehen kann & trotz ihrer Angst vor Hunden solle ich unsere Hündin für ihren Sohn mitbringen- einfach eine Löwenmama durch uns durch!
Habe gespendete Windeln gebracht, ein großes Fresspaket & sein Shampoo. Heute durfte ich es als Geschenk so belassen, ansonsten ist es ihr sehr wichtig, dass sie ihren Bedarf selbst bezahlt, Hilfe bräuchte sie bei der Beschaffung. So habe ich es ihr zugesagt! Planen sie bei unseren Einkäufen hier nun ein:)
Bzgl. Dem Mann hat sie mir auch erzählt, wie es eskalierte. Sie ist wahnsinnig erleichtert, dass sie nun Menschen in ihrer Nähe weiß, die nun in den verschiedenen Bereichen tätig werden& sie auf ihn nicht mehr angewiesen ist.
Danke für die konstruktive & Lösungsorientierte Runde hier! Bin so froh für sie, dass da ab Montag Klärung in die Situation kommt - denn Baustellen gibt es leider genug : Pflege , ihre eigene Gesundheit, Status, wohnsituation... nicht vorhande Küche usw.
ZITAT-ENDE
Im Nachgang soll nun geprüft werden, was in dieser Geschichte schief gelaufen ist, warum das Sozialamt die offiziellen Stellen wie z.B. den Pflegestützpunkt Ludwigshafen nicht über die Situation informiert hat.
UPDATE 30.01.2022
Es hat sich dank der Unterstützung vieler Helfer in den letzten Tagen sehr viel getan.
- Dem kleinen Kind wurde die größtmögliche Pflegestufe 5 zugeteilt
- Ein professioneller Pflegedienst wird sich um die Versorgung des Kindes kümmern
- Eine Nachbarschaftshilfe wurde organisisiert, um die Mutter zu entlasten
- Eine neue Wohnung in einem Haus mit Fahrstuhl wurde gefunden und kann zeitnah bezogen werden.
- Kosten für Krankentransporte zu ambulanten Therapien werden erstattet
Es ist vieles in dem Fall schief gelaufen, einiges durch Mißverständnisse, Unkenntnis oder Personalmangel.
Dennoch haben alle es alle Verantwortlichen und die Behörden geschafft, in der Geschichte konstruktiv zusammen zu arbeiten.
Dank einer starken Vernetzung von Helfern wurde in sehr kurzer Zeit großes auf die Beine gestellt.
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