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Hilfsprojekte bei der Hochwasserflut im Ahrtal-Tal vom 24.07.2021

RHEINPFALZ-Bericht 27.07.2021

Bilder-Gallerie

HILFE FÜR FLUT-OPFER RHEINLAND-PFALZ


Aufgrund der Dringlichkeit haben wir es geschafft, mit Unterstützung Vieler das Projekt in gerade mal 48 Stunden zu planen und durchzuführen.

Ziel war es, das Projekt ausschließlich mit Helfern mit Migrationshintergrund aus unserem Landkreis durchzuführen und am Ende haben sich so viele Freiwillige gemeldet, dass wir einigen aufgrund der wenigen freien Plätze im Bus absagen mussten.

Unser erster Dank geht an Herrn Salar Mahmoud vom Verein „ Kurdisches Kulturzentrum e.V. “, der einen Bus für 8 Personen mit einem Fahrer für einen günstigen Preis besorgt hat.

Der zweite Dank geht an Frau Christel Aderhold, die sich sofort bereit erklärt hat, zusammen mit dem Verein „ RESPEKT MENSCHEN „ aus Ludwigshafen, das Projekt finanziell zu unterstützen und die Reisekosten zu übernehmen.

Auch Dank an Walter Scülfort, der sich bereit erklärt hat, kurzfristig Regenjacken, Arbeitshandschuhe und Schutzmasken zu besorgen und diese noch am Samstagmorgen zum Treffpunkt gebracht hat.

Geplant war, mit freiwilligen Helfern im Hochwassergebiet im Kreis Ahrweiler die betroffnen Menschen beim Aufräumen zu unterstützen.

Wir hatten bereits mit einer bekannten Familie aus Dernau Kontakt aufgenommen und aufgrund der dortigen Lage beschlossen, am Samstag gegen 10 Uhr dort einzutreffen.

Schon bei der Anreise zeigte sich jedoch, dass aufgrund der aktuellen Situation im Ahr-Tal eine solche Planung unmöglich ist.

Schon weit vor Ahrweiler trifft man hunderte von Blaulicht-Konvois , Fahrzeuge von THW, Feuerwehr und Rettungsdiensten soweit man schauen kann.

Wir mussten wegen einer Vollsperrung der A61 frühzeitig die Autobahn verlassen und uns durch kleine Dorfstraßen quälen, weil viele Hauptverbindungsstraßen gesperrt waren.

Auch das Navi im Auto hilft nicht groß weiter, weil die Sperrungen dort aktuell noch nicht verzeichnet sind.

Irgendwann kamen wir in Ahrweiler an und standen mitten im Ort von hunderten Einsatzwagen von Polizei und Feuerwehr umgeben.

Schon weit vor dem Ortskern sieht man überall feinen braunen Staub auf Autos und Straßen, Polizisten stehen an jeder Straße und kontrollieren jedes Fahrzeug, viele müssen umkehren.

Wir haben mit einem Polizisten gesprochen und erklärt, dass wir nach Dernau wollen. Er hat uns dann erklärt, dass es im Ort nur noch eine Brücke über die Ahr gibt und auf dieser wird der Verkehr stark eingeschränkt, weil Rettungsfahrzeuge, Bagger und Entsorgungsfirmen Vorrang haben, eine Überfahrt kann Stunden dauern.

Direkt neben den Resten der Brücke befindet sich ein Parkplatz mit Einsatzfahrzeugen, soweit das Auge blicken kann, dort haben wir einen Parkplatz gefunden.

Die Lage ist surreal.

Chaos ohne Ende, tausende von komplett verdreckten Menschen mit Eimern, Schaufeln und Besen wuseln über den Platz, Blaulicht wohin man schaut, Schutt, Äste, ganze Bäume, deformierte Autos überall und Schlamm, Schlamm,Schlamm…

Neben dem Parkplatz befindet sich ein großes Gebäude, dort fliegen Holzteile, Stühle und Abfall aus komplett zerstörten Fenstern, es handelt sich um die DON-BOSCO Schule, die direkt neben dem Ahr-Ufer steht und dort gehen wir einfach hin.

Wir reihen uns in eine Kette von Menschen ein, die mit Eimern pausenlos Schlamm aus der Schule schafft.

Die Klassenzimmer sind total verwüstet, Schränke mit von Wasser vollgesogenen Aktenordnern, Stühle, Bänke, Inventar, selbst Deckenlampen sind total ineinander verkeilt bis unter die Decke geschoben worden.

Hunderte von Helfern versuchen, alles irgendwie auseinander zu bringen und aus nicht mehr vorhandenen Fenstern zu werfen.

Wir haben dort fast 3 Stunden mit angepackt, waren bereits nach wenigen Minuten vollkommen verdreckt. Heizöl im Wasser und unglaublicher Gestank reizen die Augen.

In einem anderen Trakt versucht die Feuerwehr, verschlossene Türen aufzubrechen, alle Helfer müssen zurücktreten weil man nicht weis, ob man evtl. Leichen findet.

Gegen 15 Uhr waren bereits einige Klassenzimmer vollkommen von Schlamm und Müll befreit als es einen lauten Knall gab und in einem der Zimmer der Boden etwa 50 cm nach oben schnellte.

Über Lautsprecher wurden alle Helfer aufgefordert, die Schule zu verlassen. Jemand von der Stadt hat mit einer Sprühflasche ein rotes Kreuz an die Außenwand gesprüht und erklärt, die Schule wird abgerissen, eine Sanierung ist nicht mehr möglich.

Mittlerweile regnet es unaufhörlich und da wir nicht tatenlos zum Auto zurück wollen, entschließen wir uns, die Brücke zu Fuß zu überqueren und auf der anderen Uferseite zu helfen.

Das was wir bisher gesehen hatten, war unbeschreiblich aber auf der anderen Seite der Ahr war die Situation weitaus schlimmer.

Dort stehen parallel zum Ufer viele Häuser, dicht an dicht gebaut.

Das Wasser hat auf der Ahr-Seite bis zum ersten Stock die Fenster eingedrückt und das komplette Inventar auf der anderen Straßenseite aus den Fenstern geschwemmt, sofern diese groß genug waren.

Ansonsten sieht man Fenster ohne Glas hinter denen die komplette Einrichtung bis an die Decke geschoben wurde.

Müll, Äste, tote Tiere, Hausrat und Schlamm soweit man schauen kann.

Entsorgungsfahrzeuge mit Pumpwagen stehen in einer Reihe, dicke Schläuche führen zu Kellerfenstern und saugen Schlamm und Wasser ab. Auf der Straße steht man bis zum Knie in Schlamm, auf dem ein stinkender Ölfilm schwimmt.

Wir haben einfach die Menschen angesprochen, ob wir helfen können.

Alle schauen uns an, schauen durch uns hindurch, antworten nicht und stehen unter Schock, die Zerstörung ist nicht mit Worten zu beschreiben. 

Wir kannten die Bilder aus den Nachrichten aber die Wirklichkeit hier ist viel schlimmer.

Nachdem es den ganzen Nachmittag in Strömen geregnet hat, wurden dann alle Helfer aufgefordert, Ahrweiler zu verlassen.

Man rechnete zwar nicht damit, dass die Ahr soweit ansteigt, dass eine weitere Flut kommt, jedoch sind die Abwasserkanäle mit Schlamm vollkommen verstopft und das Regenwasser kann nicht mehr abfließen.

Die Gefahr, dass Keller mit Helfern wieder überflutet werden, ist einfach zu groß.


FAZIT :

Wir hatten das Glück, dass wir helfen konnten, an Plätzen, die mehr oder weniger öffentlich waren. Auch wenn die Schule am Ende doch abgerissen wird, habt man etwas getan.

Ich kann jedem nur abraten, jetzt noch dorthin zu reisen.

Die Menschen, die betroffen sind, und das sind zumindest in Ahrweiler nahezu alle, schweben seit Tagen in einer Art Schockzustand.

Im Moment weis eigentlich keiner, wie es auf absehbare Zeit weiter geht, es wird Wochen. oder gar Monate dauern, bis alleine der ganze Schutt weggeräumt ist und eine Infrastruktur halbwegs wieder aufgebaut ist. Die Menschen stehen vor unlösbaren Problemen und sind mehr oder weniger genervt, weil tausende von Fremden durch Ihre Gärten wandern.

Viele reisen mit dem Auto an, der Verkehr von Hilfsfahrzeugen, Entsorgungsunternehmen, Baggern und Traktoren wird permanent behindert und demzufolge reagieren auch die Polizisten genervt und teilweise unter gewaltigem Stress.

Es sind alles junge Beamte, die einen wirklich großartigen Job machen, jedoch sind fast alle ortsfremd, weil sie aus allen Teilen das Landes zusammengezogen wurden.

Den Fluss der Hilfsfahrzeuge zu kanalisieren und zur organisieren, ist bei den tausenden von Fahrzeugen eine wirklich schwere Aufgabe und auch die psychische Belastung ist sehr hoch.

Es ist für unser Land eine Bereicherung zu wissen, dass so viele freiwillig in den Flutgebieten helfen wollen aber hier macht die Menge an Fremden wirklich Probleme.


Die Rückfahrt nachLudwigshafen war sehr still.

Jeder hat sich mit dem Gesehenen beschäftigt und wird das für sich am Besten verarbeiten müssen.

Einer unserer Helfer war in seinem Heimatland selbst Physiklehrer an einer Schule, Ihn hat das Erlebte sehr getroffen.

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